Die Aufgaben und – damit verbunden – Rolle(n) einer Mutter haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Diese veränderten Rollenbilder sind stark beeinflusst von sich veränderten Frauenbildern, aber auch vom Erkenntnisgewinn zu Bedürfnissen von Kindern. Und selbst heute wird man für Mutterschaft keine einheitliche, für alle stimmige Definition finden. Klar ist aber eines: Wir schaffen nicht alles alleine (auch, wenn wir das manchmal glauben). Ein bisschen Hilfe von außen kann da oft wahre Wunder bewirken.
Mutterschaft – Mutter schafft: Wie Kindererziehung begann
Ein afrikanisches Sprichwort besagt: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. Blickt man sehr, sehr weit in der Menschheitsgeschichte zurück, gab es schon immer eine Aufteilung von Betreuungspflichten, eine außerfamiliäre Betreuung. Während sich die einen um die Suche um Nahrung kümmerten, versorgten andere währenddessen die Kinder. Ohne diese Aufgabenteilung wäre die Menschheit schlichtweg ausgestorben. Folgt man dazu den Ausführungen von Anthropolog:innen, so kann davon ausgegangen werden, dass die gemeinsame Aufzucht von Kindern, das „cooperative breeding“, der Schlüssel zum sozialen Verhalten von Menschen darstellt. Einer Mutter wäre es niemals möglich gewesen, ihr Kind und sich selbst ohne Hilfe der Gemeinschaft zu versorgen. Um den Fortbestand der Sippe zu sichern, mussten die Hominiden im frühen Pleistozän in der gemeinsamen Jungenaufzucht kooperieren.
Während im Mittelalter die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Mehrgenerationen-Haushalten lebten und so auch Betreuungsaufgaben von Kindern innerfamiliär aufteilten, gab es ab dem 17. Jahrhundert in gehobenen Gesellschaftsschichten bereits Gouvernanten. Dies begründete sich aus dem zunehmenden Bildungsbewusstsein in dieser Gesellschaftsschicht und nicht aus der Bedürfnisorientierung an Kindern. Damals galt die Prämisse: Eine qualitätvolle Kindererziehung hat in den eigenen vier Wänden zu erfolgen. Die Aufgaben der Gouvernanten bestanden in erster Linie aus dem Unterrichten von Sprachen, Kunst, Literatur, aber auch Körperhaltung und Manieren. Damit zogen erstmals Frauen beruflich in den Erziehungs- und Bildungsbereich ein, der davor eine ausschließliche Männerdomäne war. Diese Entwicklung kann man durchaus als revolutionär bezeichnen: In einer Zeit, in der sich die Rolle der Frau ausschließlich auf die bürgerliche Vorstellung von Ehefrau, Hausfrau und Mutter beschränkte, wurden diese gebildeten Frauen erwerbstätig und somit ökonomisch unabhängig. Gouvernanten können somit als Vorgängerinnen der späteren Erzieherinnen betrachtet werden.
Mit der Industrialisierung und der damit einhergehenden Landflucht entstanden die ersten institutionalisierten Kinderbetreuungseinrichtungen. Die notwendige Berufstätigkeit der Frauen in urbanen Ballungszentren machte es unerlässlich, Kinderbewahranstalten und Fabrikskindergärten einzuführen. Meist entstanden dererlei Einrichtungen sogar auf Initiative von den Unternehmern selbst, um auf den Arbeitskräftemangel zu reagieren. Dazu findet man auch in Graz ein prominentes Beispiel: Therese Edle von Reininghaus war die Ehefrau von Johann Peter von Reininghaus, dem Gründer der ersten dampfbetriebenen Brauerei in der Steiermark. Deren soziales Engagement ist besonders hervorzuheben: Therese führte Werkswohnungen, ein Werksspital, ein Altersheim sowie eine Witwen- und Waisenstiftung ein. Neben einem Mindestmaß an arbeitsrechtlichen Regelungen – für die damalige Zeit überaus fortschrittlich – gab es auch eine betriebliche Kinderbewahrstätte. Allesamt Maßnahmen, die dem Unternehmerpaar die Treue ihrer Arbeiter:innen sicherte – auch nach dem Tod von Johann Peter, als Therese die Führung der Fabrik übernehmen musste.