Wie stehen die Menschen in Österreich zu den angekündigten Reformen von Minister Kocher im Arbeitsmarktbereich? Wie werden die Überlegungen zu einem Absenken des Arbeitslosengeldes aufgenommen? Und unternimmt die Regierung genug gegen die Teuerungswelle? Die Volkshilfe hat gemeinsam mit SORA die Menschen in Österreich dazu befragt.
Das Thema, das vor allem Geringverdiener:innen, Sozialhilfebezieher:innen und arbeitssuchenden Menschen tagtäglich unter den Nägeln brennt, ist die Teuerung. Im März 2022 stiegen die Verbraucherpreise in Österreich um 6,8 % gegenüber dem Vorjahresmonat, und um 2 % gegenüber dem Vormonat. Ein rasches Ende ist nicht in Sicht.
Teuerungswelle legt Versäumnisse der Regierung offen
Während Menschen mit höherem Einkommen die Teuerungen beim Tanken, Heizen und im Lebensmittelbereich verkraften, wissen Menschen mit geringem Einkommen kaum noch, wie sie die Kosten des Alltags bewältigen sollen. Denn sie verwenden ihr gesamtes Einkommen für dringend benötigte Konsumausgaben, doch lt. aktuellem WIFO-Bericht reicht auch das oft nicht und es wächst die Verschuldung.
All das schlägt sich in der aktuellen Umfrage nieder. Mehr als 9 von 10 Menschen in Österreich (92 %) fordern angesichts der hohen Inflationsrate eine bessere Unterstützung für Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen. „Bisher ist sehr viel geredet und beobachtet worden, aber viel zu wenig passiert. Akut brauchen die Menschen höhere Einmalzahlungen, für armutsbetroffene Haushalte sollte es ein Recht auf Energie und damit auch eine für sie kostenlose Energieversorgung geben. Vor allem brauchen wir strukturelle Maßnahmen, um die akut armutsbetroffenen Haushalte nicht ins absolute Elend zu stoßen“, so Volkshilfe Steiermark Präsidentin Barbara Gross. „In unseren Beratungsstellen häufen sich die verzweifelten Anrufe von Menschen, die sich nicht mehr zu helfen wissen und dringend Hilfe brauchen.“
Statt Kürzungen und noch mehr Druck: Echte Unterstützung für arbeitslose Menschen
Im Rahmen der geplanten Reform des Arbeitslosengeldes stellt das Arbeitsministerium eine Reihe von Maßnahmen in den Raum, die den Druck auf arbeitslose Menschen erhöhen sollen: von einem Verbot geringfügiger Zuverdienste für arbeitslose Menschen bis hin zu einem Absenken des Arbeitslosengeldes mit fortdauernder Arbeitslosigkeit. Viele Menschen haben in der Corona-Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren. Doch statt mehr Druck auf arbeitslos gewordene Menschen, braucht es mehr Engagement von Unternehmen und vom Staat. Mehr als 8 von 10 Menschen in Österreich (86 %) sind der Ansicht, es braucht bessere Arbeitsbedingungen in den Unternehmen, statt mehr Druck auf Arbeitslose.
Nebenjobs sollen neben Bezug von Arbeitslosengeld möglich sein
Für die Bevölkerung gehen die Vorhaben des Arbeitsministers jedoch in die falsche Richtung. Rund 9 von 10 Menschen in Österreich (88 %) sind für ein Fortbestehen der Möglichkeit für arbeitslose Menschen, das Arbeitslosengeld durch geringfügige Nebenjobs aufzubessern, um besser über die Runden zu kommen.
Mehrheit für Erhöhung des Arbeitslosengeldes
Darüber hinaus ist die Mehrheit der Bevölkerung nicht für ein automatisches Absenken des Arbeitslosengeldes, sondern für eine Erhöhung. 7 von 10 Menschen (70 %) sind für eine Anhebung von derzeit 55 % auf 70 % des Nettoeinkommens. Von jüngeren Menschen (15 bis 29 Jahre; 76 %) sowie von Arbeiter:innen (78 %) erfährt diese langjährige Forderung der Volkshilfe besonders breite Zustimmung. Seit vergangenem Jahr ist die Zustimmung noch um 11 % gestiegen.
„Die Volkshilfe betreibt zahlreiche sozialökonomische Betriebe und Arbeitsmarktprojekte. Daher kennen wir die Sorgen der Menschen sehr genau und setzen uns seit langer Zeit für eine Erhöhung des Arbeitslosgengeldes auf 70 % des Letztbezugs ein. Ein degressives Modell, das am Ende sogar unter der derzeitigen Nettoersatzrate von 55 % liegt, sorgt bei den Betroffenen nur mehr für Kopfschütteln. Denn niemand kann von etwas mehr als der Hälfte seines Einkommens leben“, so Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich.
Garantie auf einen fairen Arbeitsplatz
Darüber hinaus stimmt eine breite Mehrheit der Bevölkerung (87 %) einer Garantie auf einen fairen Arbeitsplatz zu, um die Arbeitslosigkeit dauerhaft zu bekämpfen. „Dazu bedarf es einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, um vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Denn dieser Sockel ist hoch und wird auch ohne zusätzliche staatliche Maßnahmen nicht entscheidend kleiner werden“, so Erich Fenninger.
Strukturelle Änderungen
Krisen wie die Pandemie oder die aktuelle Teuerungswelle sind immer ein Stresstest für das Sozialsystem. Wie gut sichert es die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung ab? „Im Moment sehen wir, dass Versäumnisse in der Sozialpolitik jetzt besonders durchschlagen. Die Verschlechterungen in der Sozialhilfe werden, auch mit den gestern angekündigten Korrekturen, vielen Menschen weiterhin das Leben schwer machen. Daher braucht es strukturelle Maßnahmen, um die Menschen akut gegen die Teuerungswelle zu schützen und dauerhaft abzusichern“, sagt Erich Fenninger und fordert:
- Reform der Sozialhilfe und eine Wiedereinführung der Mindestsicherung
- Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 %
- Einführung eines Mindestlohns i. H. v. EUR 1.750,–
- Einführung einer Energiegarantie sowie kostenlose Energie für Sozialhilfebezieher:innen und weitere benachteiligte Gruppen
- rasche Erhöhung der Mietzinsbeihilfe
- Einführung der Kindergrundsicherung
- Erhöhung der Ausgleichszulage für ältere Menschen
„Die Steuereinnahmen des Staates sprudeln. Es ist an der Zeit, einkommensschwache Haushalte dauerhaft abzusichern“, so Barbara Gross und Erich Fenninger im Gleichklang.
27. April 2022