Die Volkshilfe Österreich versteht sich neben ihrer täglichen Arbeit mit jenen Menschen, die unsere Angebote im Bereich Pflege, Betreuung, Armutsbekämpfung, Rechtsberatung und der Arbeit mit Schutzsuchenden, Menschen mit Behinderungen und in der Nachbarschaftsarbeit in Anspruch nehmen, auch als anwaltschaftliche Vertreterin in der Öffentlichkeit. Wir sind erleichtert, dass die neue Regierung der schwarz-blauen Regierungszeit mit ihren rechtsextremen „Einzelfällen“ und Skandalen ein Ende gesetzt hat.
In unserer vorliegenden Analyse des Regierungsprogramms konzentrieren wir uns auf die für die Volkshilfe wesentlichen Bereiche. Wir kommentieren das Übereinkommen aus der Perspektive der Problemlagen der Betroffenen, mit denen wir in unserer tagtäglichen sozialen Arbeit konfrontiert sind.
Das neue türkis-grüne Regierungsabkommen verfolgt zum einen begrüßenswerte neue Initiativen – etwa im Bereich Klimaschutz, Pflege und Betreuung oder Transparenz. In einigen Punkten findet sich aber auch eine Fortsetzung des unsozialen Härtekurses wieder: der 12-Stunden-Tag bleibt, die Zerschlagung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung ebenso, die Mindestsicherung wird nicht einheitlich neu und besser geregelt, die Bundesbetreuungsagentur kommt und die unabhängige Rechtsberatung im Asylbereich wird abgeschafft.
Aus Sicht der Volkshilfe ist die Kürzung der Steuern auf Unternehmensprofite (Körperschaftssteuer), die auch bereits von Schwarz-Blau geplant war, problematisch. Von der Maßnahme profitieren nicht die KMUs, sondern jene 5% der großen Unternehmen, die schon jetzt die höchsten Profite eintreiben. Auch die Chance, Vermögende in Form von Vermögens- und Erbschaftssteuern einen gerechten Beitrag zum Staatshaushalt leisten zu lassen, wurde nicht genutzt. Die geplanten Steuersenkungen (inkl. Lohnsteuer) könnten insgesamt 5,7 Milliarden Euro betragen, eine geplante Gegenfinanzierung muss sich nun im Zuge der kommenden Budgetverhandlungen ergeben.
Denn ein umfassender Budgetplan ist umso bedeutender, als viele positive Vorschläge dieses Regierungsprogramms, wie die Investitionen im Infrastruktur- und Klimaschutzbereich, Ausweitung des Mutter-Kind-Passes, kassenfinanzierte Psychotherapieplätze, Informationskampagne Impfen, Erhöhung der Mittel im Bereich Entwicklungszusammenarbeit etc., von ihrer ausreichenden Finanzierung abhängig sind. Die Volkshilfe wird weiterhin kritisch bleiben, sich für vulnerable Gesellschaftsgruppen stark machen und einen gelungenen Dialog mit der Zivilgesellschaft forcieren und gegebenenfalls einfordern.
Die Weichenstellung zur Verbesserung der Zusammenarbeit ist bereits gelegt, nun werden wir die Regierung an ihren eigenen Taten messen und freuen uns auf die Zusammenarbeit.