Testamente und Legate

Steirer:innen bei Regelung des Nachlasses nachlässig

Nur ein Viertel der über 40-Jährigen haben ein Testament, aber jeder sechste ist bereit, an gemeinnützige Organisationen zu vererben.

Beim Thema Erbrecht und Testament ist der Informationsbedarf in ganz Österreich enorm. Das zeigt eine Market-Studie im Auftrag von „Vergissmeinnicht – die Initiative für das gute Testament“, wonach die Steiermark zu den Bundesländern mit dem größten Aufholbedarf zählt: Hier haben 73% der Bevölkerung über 40 noch kein Testament. Gleichzeitig erreicht das Interesse an einem Vermächtnis für den guten Zweck Rekordniveau. Volkshilfe Steiermark Geschäftsführer Franz Ferner betont: „Unser Engagement für eine sozial gerechte Welt hilft, verändert und hinterlässt Spuren, dort wo die Menschen leben und wohnen. Durch Testamentsspenden ist eine langfristige Unterstützung von vielen benachteiligten Menschen – vor allem Kindern und deren Familien – möglich.“

In Österreich werden jährlich fast 100.000 Verlassenschaftsverfahren abgewickelt, leider oftmals begleitet von langwierigen Erbstreitigkeiten. Laut Studie der niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer hatten rund ein Viertel der Österreicher:innen bereits einmal Streit rund um das Thema Erben. Meist liegt der Grund darin, dass kein oder ein fehlerhaft verfasstes Testament vorliegt. Dies verhindert, dass der letzte Wille von Verstorbenen wunschgemäß erfüllt wird. Laut Market-Studie geben 70% der Menschen an, kaum über die gesetzliche Erbfolge informiert zu sein, rund 85% kennen die Formvorschriften für Testamente nicht und ebenso viele wissen nicht über das Pflegevermächtnis Bescheid. Die Steirer:innen bewegen sich bei der Erstellung von Testamenten noch unter dem Bundesdurchschnitt – nur 27% der über 40-Jährigen haben ein Testament (bundesweit 30%).

Niederschwelliges Informationsangebot

„Vergissmeinnicht – die Initiative für das gute Testament“ mit mittlerweile über 100 Mitglieder-Organisationen aus allen gemeinnützigen Bereichen hat es sich gemeinsam mit der Notariatskammer zur Aufgabe gemacht, dem großen Informationsdefizit nachzukommen. Die Initiative klärt u.a. mit Veranstaltungen in ganz Österreich, einem Erbrechtsratgeber, einem Podcast mit Notaren und dem digitalen Testamentsrechner kostenlos auf, warum es wichtig ist, seinen Nachlass zu regeln und was dabei zu beachten ist. Gleichzeitig kommt Vergissmeinnicht dem zuletzt stark gestiegenen Interesse der Österreicher:innen an einer Erbschaft für den guten Zweck entgegen. Ein eindeutiger Trend der vergangenen Jahre, wie Vergissmeinnicht-Leiter Markus Aichelburg betont: „Immer mehr Menschen möchten selbst entscheiden, was nach dem Tod mit ihrem Hab und Gut passiert. Sie möchten vielfach, dass es jenen gemeinnützigen Zwecken zugutekommt, die ihnen schon zu Lebzeiten wichtig waren.“

Bereitschaft zur Testamentsspende in Steiermark verdoppelt

Hinter der Idee der Testamentsspende steht die Überzeugung, dass man mit einem Vermächtnis für den guten Zweck nachhaltig positive Spuren hinterlassen kann. Dieser Gedanke steht bei den Österreicher:innen hoch im Kurs: Im Vorjahr wurde ein Rekordwert von rund 85 Mio. Euro in Form testamentarischer Zuwendungen gespendet. Bundesweit vererben pro Jahr mittlerweile rund 2.000 Menschen einen Teil ihres Vermögens an gemeinnützige Einrichtungen. Die Steiermark zählt, neben Tirol, zu den Bundesländern mit dem größten Interessenszuwachs: 17% der Bevölkerung über 40 Jahre können sich eine Testamentsspende persönlich vorstellen (2018 waren es erst 8%). 25% wären bereit, eine gemeinnützige Einrichtung als Ersatzerben einzusetzen.

Einblick in die Beweggründe

Als zentralen Beweggrund zu einer testamentarisch festgelegten Spende geben 45% der Steirer:innen an, selbst keine Familie zu haben, gefolgt vom Wunsch, dass das Vermögen nach dem Ableben nicht an den Staat gehen soll (34%). Dieser Fall tritt ein, wenn kein Testament vorliegt und auch keine gesetzlichen Erben vorhanden sind (2019 über 13 Mio. Euro). Für 21% überwiegt hingegen der Wunsch, nach dem Ableben etwas Gutes tun zu wollen. Rund die Hälfte der Testamentsspender:innen sind den Organisationen bereits im Vorfeld als Unterstützer:innen bekannt. Fast 90% sind kinderlos.

Testamentsspenden unverzichtbar für Dritten Sektor

Aufgrund des großen Zuspruchs der Bevölkerung sind Testamentsspenden heute eine tragende Stütze für die wichtigen Aufgaben von Hilfsorganisationen. Jeder zehnte hierzulande gespendete Euro stammt aus einem Testament – Mittel, die ihre Wirkung in allen gemeinnützigen Bereichen entfalten, vom Kinder- und Jugendschutz bis hin zur humanitären Hilfe in der Ukraine. Tendenziell werden moderate Vermögen zwischen 50.000 und 100.000 Euro vererbt.

28. September 2022

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